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Auf den Spuren von Cato - und Kathrin

Aktualisiert: 22. Apr.

In einer Zeit, in der die Demokratie unter Dauerbeschuss steht – subtil, laut, parlamentarisch, durch russische Agenten, auf TikTok und in Telegram-Kanälen – stellt sich für die, die diese wertvolle Errungenschaft nicht so schnell aufgeben wollen, immer wieder die Frage: Wie wehrt man sich mit Anstand gegen eine Partei, die selbst keinen Anstand hat? Wie ihr bei Kathrin nachlesen könnt, hat sie unter anderem beschlossen, am Ende jeder Lesung zu sagen: „Die AfD gehört verboten.“

Cato lässt grüßen: Immer und immer wieder hat der alte Römer seine Forderung, Karthago anzugreifen, wiederholt, bis die römische Elite irgendwann sagte: Na gut, dann halt Krieg. Die Analogie hinkt ein wenig. Rom war ein Imperium. Wir sind eine Demokratie. Cato wollte Krieg, wir wollen Frieden. Und Karthago war zu dieser Zeit längst militärisch erledigt, während die AfD gefährlich lebendig ist. Dennoch mag ich die Idee sehr. Weil sie etwas rituell Widerständiges hat, der Normalisierung rechter Rhetorik die Stirn bietet und Mut macht, Position zu beziehen.

Ich bewundere Kathrin dafür, dass sie das durchgezogen hat. Ich finde, dass das mehr Menschen machen sollten. Wir sollten alle den Cato in uns entdecken, zumindest was das Verständnis für die Bedeutung wiederholender Aufforderungen angeht. Also sollte auch ich Kathrins Beispiel folgen. Aber ist „Die AfD gehört verboten“ der richtige Satz für mich? 

Auf jeden Fall nicht in jedem Kontext. Ich halte Vorlesungen, wissenschaftliche Vorträge – und da gilt das Neutralitätsgebot.  Das heißt nicht, dass ich nicht Verfassung, Rechtsstaat und Demokratie hochhalten darf – aber der Satz würde in diesem Kontext wohl zu weit gehen. Aber ich lese als Autorin ja auch in anderen Kontexten aus meinen Krimis vor. Und ich äußere mich (kriminal-)politisch und das wird in diesen Zeiten sicher nicht weniger werden. Was also möchte ich am Ende meiner Lesungen sagen? Was am Ende rechtspolitischer Vorträge?


Gehen wir zusammen auf die Suche – vielleicht ist ja auch für euch ein Satz dabei, oder meine Gedanken inspirieren euch zu einer eigenen Suche und einem eigenen Satz, denn Gelegenheiten für solche Sätze finden sich wahrscheinlich in jeder Lebenswirklichkeit. Oder habt ihr schon einen Satz? Was könnte zu euch passen?


Ein Satz, der widerhallt. Ein Satz, der nicht ohnmächtig macht – sondern aufweckt. Kein kategorischer Imperativ, nur ein Impuls. Mehr Hoffnung als Abrechnung. Zukunftsgewandt.

„Demokratie ist kein Zustand, sondern ein Tun.“

Erinnert daran, dass demokratische Strukturen nicht selbstverständlich sind – und dass politisches Engagement kein Hobby, sondern eine Notwendigkeit ist. Aber er erfordert etwas Nachdenken und außerdem meine ich, dass das schon irgendjemand anderes zumindest so ähnlich gesagt hat, und ich will mit meinem Satz niemand anderen zitieren.

„Wer schweigt, überlässt das Feld den Falschen.“

Ein Satz, der auffordert, selbst aktiv zu werden. Aufzustehen. Er lädt dazu ein, sich selbst zu verorten und zu positionieren. Aber bisschen viel moralischer Zeigefinger und gleichzeitig zu wenig Kontext. Und berücksichtigt nicht, dass nicht jede und jeder dieselbe Möglichkeit hat, sich zu äußern. Außerdem ist das Bild mit dem Feld irgendwie unpassend.

„Die Demokratie muss erhalten werden – mit Haltung, Argumenten, Visionen.“

Etwas länger, aber gerade noch prägnant. Der Satz eröffnet einen Handlungsraum. Aber er ist auch vage und eigentlich passen die drei Hauptworte am Ende nicht wirklich zusammen. Und es ist irgendwie unklar, wer denn nun verantwortlich ist für diese Erhaltung.

„Faschismus lebt von schweigender Zustimmung.“

Ein Satz, der an die Mitläufer des NS-Regimes – und anderer Regime – erinnert. Aber eröffnet keine Handlungsmöglichkeiten und ist nicht positiv, kritisiert diejenigen zu sehr, die im Moment nicht wissen, was sie wo sagen sollen und ihren Weg erst noch finden müssen.

„Demokratien sterben leise. Bleiben wir laut.“

Das sind eigentlich zwei Sätze. Positiv, mit Handlungsanleitung. Aber ganz schön fordernd.

„Wer Menschen abwertet, hat in einer zivilisierten Gesellschaft nichts verloren.“

Sehr direkt. Zu negativ.

„Es gibt keine Neutralität für Menschenverachtung.“

Könnte in wissenschaftlich-politischen Kontexten funktionieren. Gleichzeitig etwas merkwürdig, wenn vorher niemand Neutralität von mir gefordert hat.


So wird das nichts. Ich muss mir erst mal abstrakter Gedanken machen, was der Satz können muss und erreichen soll. Man kann das Prinzip des politischen Schlusswortes auf viele Arten umsetzen. Wichtig ist die Wiederholung. Die Haltung. Und dass der Satz zur Sprecherin passt. Ich bin nicht Cato. Ich möchte keine Städte zerstören. Ich will Räume öffnen, für Dialog, für Gedanken. Am liebsten würde ich auch zum Handeln auffordern, aber nicht zu direkt, und auch nicht zu drängend.

·         Er sollte zu meinem Ton passen: klug, aufrüttelnd, aber nicht platt.

·         Er sollte positiv sein, ich habe das Gefühl, dass ich das brauche – einen Blick in eine gute Zukunft, ein Vorschlag, was wir tun könnten.

·         Er sollte Handlungsmöglichkeiten eröffnen.

·         Er sollte anschlussfähig sein – für Jurist:innen, Leser:innen, Bürger:innen.

·         Und: Die Aussage sollte leicht variiert werden, je nach Kontext.

Was könnte diese Kriterien erfüllen:

„Vergessen Sie nicht: Wir sind mehr.“

Positiver, kollektiver Appell. Gemeinschaftsgefühl statt Ohnmacht. Aber immer noch etwas vage und keine Handlungsmöglichkeit, keine meiner Werte. Trotzdem werde ich ihn mir merken.

„Bleiben Sie demokratisch.“

Gefällt mir, erinnert mich an ein „Bleiben Sie gesund“, was in irgendeiner Fernsehsendung immer am Ende gesagt wurde. Aber schon das „Bleiben Sie gesund“ war zu Corona-Seiten plötzlich umstritten, wurde als Anforderung angesehen, als Provokation. Und das ist mein Satz erst recht, also wohl für manche Kontexte zu viel Appell, zu viel Forderung. Wobei sich ein Teil von mir schon fragt, wie das eigentlich überhaupt strittig sein könnte – aber das denkt man sich heute oft.

Zurück zu den Werten - wenn ich ein paar meiner moralischen Richtpfeiler zusammenpacke, würde der Satz wahrscheinlich so aussehen:

„Und übrigens bin ich der Meinung, dass die Demokratie, der Rechtsstaat, der Schutz von Minderheiten und die Gleichstellung der Schwachen jeden Kampf wert sind.“

Na das ist doch mal kurz und knackig! Im Ernst: Das ist ja fast schon ein Co-Referat. Wahr, aber zu lang und kompliziert. Doch als ich über diesen Satz sinniere, kommt mir der Einfall, und in dem Moment, in dem ich den Satz denke, weiß ich: Das ist er. Das ist mein Satz:

Und übrigens bin ich der Meinung, dass unsere Demokratie es wert ist, für sie zu kämpfen.

 

 
 
 

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