Aktionismus gegen das Grau
- Susanne Beck
- 30. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Kathrin und ich haben fest vor, eine Community zu gründen. Wir stellen uns vor, dass Menschen zusammenkommen, online und vielleicht auch real, Schreibende, Künstlerinnen, Leser, Aktivistinnen, einfach alle, die etwas beitragen wollen, um mit politischer Kunst die Gegenwart auszuhalten.
HIER könnt ihr beitreten!
Wir wollen Projekte entwickeln, über das richtige Vorgehen diskutieren (Wie viel Politik gehört in Kunst? Braucht Literatur Zeit, um das Geschehen erst im Nachhinein zu verstehen?) uns gegenseitig stützen, um eine Sprache zu finden für das, was uns sonst sprachlos macht. Auch, um damit fertigzuwerden, dass KI uns zu ersetzen droht, so dass unsere Arbeit, unsere Stimmen, unsere Versuche am Ende vielleicht gar nicht mehr gebraucht werden. Kunst ist doch auch der Prozess, Literatur das Ringen und Werden, die Entwicklung und das Aufbegehrende.
Wie sollen wir Revolutionen starten, wenn wir keine Kunst mehr haben?
Und wie so oft stolpere ich, stolpern wir, gleich am Anfang über denselben Stein: Marketing. Sichtbar werden. Leute erreichen. Etwas, das mir fremd bleibt, fern von dem, wer ich bin. Ich kann es nicht. Oder will es nicht können. Ich habe das Gefühl, dass ich dafür schauspielern müsste. Aber ohne Sichtbarkeit läuft nichts. Kein Projekt, keine Kunst, keine Politik.
Also kreise ich um diese Lähmung und tue, was ich immer tue: ich stürze mich ins Machen. Aktionismus. Listen, Pläne, Projekte. Meine Gedanken sind fast ununterbrochen damit beschäftigt, was man tun könnte. Ich sage mir, dass das wichtig ist. Dass es Widerstand ist. Dass es Hoffnung gibt, wenn man im Tun bleibt. Aber tief drinnen weiß ich auch, dass ich handele, weil das reine, schweigende Ertragen noch schwerer wäre. Weil ich kaum noch aushalte, was gerade geschieht.
Die Union, die mit Sätzen daherkommt, die ich vor ein paar Jahren noch für undenkbar gehalten hätte und die an „Sollen sie doch Kuchen essen“ erinnern. Habeck, der aufgibt. Die AfD, die nicht mehr am Rand steht, sondern von einem Viertel der Deutschen präferiert wird. Der Hass, der sich gegen alles richtet, was links ist, was grün ist, was einfach nur nach Zukunft riecht. Die Medien, die diesen Hass verstärken, die so unterschiedliche Maßstäbe anlegen: nachsichtig bei den Rechten, gnadenlos bei allen anderen. Heute erst lese ich: Jens Spahns Kontakte zu Angermayer und CompuGroup. Die Regierung verweigert Auskunft, weil es „zu aufwändig“ sei. Kein Aufschrei. Nicht einmal ein kleines empörtes Rufen.
Ich merke, wie sehr ich mich nach einer anderen Welt zurücksehne. Gestern war es ein Snoopy-Comic: What do you miss? fragt Charlie. Und Snoopy sagt: Myself. The way I used to look at the world before I understood it. (nicht der genaue Wortlaut, aber so ungefähr) Das bin ich. Ich vermisse mich selbst, die Version von mir, die die Welt noch leichter genommen hat. Die nicht ständig Angst hatte, dass es immer schlimmer wird, dass es nur noch Abgründe gibt, in den USA, in Gaza, in Deutschland, überall. Und auch in mir, wenn ich zu lange darüber nachdenke.
Vielleicht ist mein Aktivismus genau das: ein ständiger Versuch, nicht zu realisieren. So zu tun, als könnte ich etwas bewegen, damit ich nicht fühle, wie sehr die Dinge mich überrollen. Doch was, wenn es nicht klappt? Wenn ich scheitere, weil ich nicht sichtbar bin, weil ich keine Menschen mobilisieren kann? Dann bleibt nur die Leere, und die ist kaum auszuhalten.
Und doch kann ich nicht aufhören. Weil Nichtstun sich anfühlt wie Verrat. Weil jedes Scheitern mir lieber ist als Schweigen. Auch wenn ich ahne, dass ich mich selbst betrüge.
Und jetzt gehe ich mit Nilo, ein elfjähriges Mädchen, die zu meiner Familie gehört, Porzellan bemalen. Ein paar Stunden Freude und Lachen. Für ihre Zukunft und die so vieler anderer junger Menschen, muss ich weiter hoffen.
Wie geht es euch? Für wen kämpft ihr? Wo findet ihr Hoffnung?
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