AfD delendar est
- Kathrin Lange
- 8. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
3. April 2025. Ich sitze im Auto und in meinem Kopf rotieren die Gedanken. Ich habe mir vorgenommen, bei der Lesung heute Abend einen Satz ans Ende zu stellen, der mich umtreibt.
Meine aktuellen Krimi-Lesungen sind Veranstaltungen, bei denen ich die Leute zum Lachen bringe – und ein bisschen auch zum Gruseln. Nichts daran ist politisch, das gilt sowohl für den Inhalt der Bücher, als auch für die Präsentation. Zwar frage ich mich schon seit einer Weile, ob wir als Autor:innen die Verantwortung haben, auch in unterhaltender Literatur die drohende Klimakatastrophe mindestens zu erwähnen, aber das ist eine andere Baustelle. Und vor allem ist es nicht das Thema, das mir auf dieser Autofahrt im Kopf herumschwirrt.
Es ist dieser eine Satz. Ich habe mir vorgenommen, ihn künftig bei jeder Lesung am Ende zu sagen. Ich brauche das Gefühl, wenigstens eine Kleinigkeit tun zu können.
Die AfD gehört verboten!
Im Auto auf dem Weg in den Westen unserer Republik spielt mein Kopf Szenarien durch. Was, wenn meine Zuhörer:innen wütend werden und mich beschimpfen? Kann ich ihre Wut kontern, indem ich Sätze zitiere, die von AfD-Politikern stammen?
„Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. (…) Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen.“ (Marcel Grauf, AFD, Mitarbeiter von Christina Baum und Heiner Merz, zwei AfD-Abgeordnete im Stuttgarter Landtag)
„Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression.“ (Sandro Hersel, AfD)
Ich könnte sehr lange so weitermachen, aber will ich mich der Gefahr aussetzen, die meist gut gelaunte Stimmung auf meinen Lesungen auf diese Weise zu zerstören? Andererseits: Ist nicht allein dieser Gedanke schon ein Anzeichen dafür, wie weit wir auf dem Weg hin zu einem neuen Faschismus bereits gekommen sind? Sind meine Gedanken nicht bereits vorauseilender Gehorsam gegenüber jenen, die gerade alles daransetzen, unsere freiheitliche Demokratie zu zerstören?
Dann überlege ich mir, was passiert, wenn ich durch eine solche Aktion Leser:innen verliere. Kann ich auf sie verzichten? Mein Verstand sagt: Klar! Leute, die solche Ansichten teilen, will ich nicht als Leser:innen. Mein Herz dagegen flüstert ganz leise: Kannst du dir das erlauben? Die Auflagen sind sowieso im Sinkflug! Und haben die Leser:innen nicht ein Anrecht auf einen unbeschwerten Abend, auf dem die Welt mit all ihren Zumutungen einmal draußen bleibt?
Natürlich haben sie das. Und ich würde es ihnen auch gern gönnen. Ich umklammere das Steuer fester.
Die Lesung verläuft dann wie gewohnt lustig und schön. Die Leute lachen an den Stellen, an denen ich will, dass sie lachen. Sie stellen Fragen, und es kommen gute Gespräche in Gang – über die Nordseeinsel Pellworm, auf der meine Krimis spielen, über die Polizeiarbeit, über das Schreiben. Alle haben einen schönen Abend, ich selbst und das Buchhändlerehepaar eingeschlossen.
Dann ist die Lesung zu Ende. Ich hole Luft. Und traue mich nicht, meinen Satz einfach so rauszuhauen. Ich leite ihn ein. Ich sage: „Ganz am Ende gestatten Sie mir bitte noch einige sehr persönliche Worte. Zusammen mit einigen Kolleg:innen unterhalte ich mich viel über die politische Lage in unserem Land und darüber, was jeder Einzelne von uns tun kann. Neulich kam uns eine Idee: Wass wäre, wenn wir am Ende jeder Lesung einen Satz sagen, der uns wichtig ist. Ich sage ihn jetzt einfach. Er lautet: Die AfD gehört verboten. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!“
Mein Herz jagt, während das Publikum klatscht. Verwundert stelle ich fest: Ich schaue immer noch in fröhliche Gesichter, viele Menschen nicken. Wenn da welche sitzen, die irritiert oder gar wütend sind, sehe ich sie nicht. Auch beim Signieren danach fällt kein einziges Wort über dieses Thema, wir reden über den Krimi, über das Lesen, den Urlaub an der Nordsee. Später, im Hotel, frage ich mich, ob ich mit der Aktion irgendwas erreicht habe.
Meine Antwort lautet: Ja. Habe ich.
Vielleicht habe ich ein paar Menschen den Abend verdorben, aber es hat sich niemand beschwert. Vielleicht, ganz vielleicht, habe ich dem einen oder der anderen etwas zum Nachdenken gegeben. Und wenn es nur für eine kurze Sekunde ist, dass da jemand gemerkt hat: Es sind viele um mich herum, die ähnlich denken wie diese Autorin.
Dann hat es sich vielleicht gelohnt. Vor allem aber habe ich das Gefühl, etwas getan zu haben, wenn auch etwas ganz, ganz Kleines, etwas nahezu Kindliches. Ich habe es gesagt. Laut habe ich es ausgesprochen, statt es nur in meinen Gedanken zu verbergen.
Die AfD gehört verboten.
Auf unserer "Über uns"-Seite schreiben wir: "Ist es nicht der Inbegriff des Kindischen, gegen all die furchtbaren Dinge, die in der Welt aktuell passieren – die Kriege, den Rechtsruck, die Lügen und all den Hass – anschreiben zu wollen? Was aber wäre die Alternative? Sich die Ohren (und Augen) zuzuhalten angesichts all des Irrsinns unserer Zeit? Schreiben ist für uns Grübeln, Verstehen, Erklären zugleich. Und nicht zuletzt ist Schreiben Resonanz. Zeigen zu können, was in diesen Tagen in uns vorgeht, tut gut. Und noch besser tut es, lesen zu können, dass wir nicht allein sind."
Eines jedenfalls nehme ich mir nach diesem Abend vor: „Die AfD gehört verboten“ wird in Zukunft auf jeder meiner Lesungen der letzte Satz sein. Dass ich auf den Fahrten dorthin wieder stundenlang grübeln werde, was für Konsequenzen es hat, nehme ich in Kauf.
Ein sehr gelungener Text, der mir Mut macht. Wäre schön, wenn jede Lesung in diesem Sinne endet!