Wut ohne Richtung
- Susanne Beck

- 16. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Es gibt Tage, da ist die Wut kaum noch beherrschbar. Heute ist so ein Tag.
Der Bundeskanzler dieses Landes hat gesagt, Migrantinnen und Migranten seien ein Problem für das Stadtbild.
Ein fucking Problem für das STADTBILD.
Er hat das nicht im Affekt gesagt. Er hat es öffentlich gesagt, in einer Rede. Und mit diesem Satz hat er Millionen Menschen, die hier leben, arbeiten, lieben, ihre Kinder großziehen, zu einem Störfaktor erklärt. Zu etwas, das man loswerden muss.
Das ist Rassismus. Punkt.
Es gibt keine semantische Dehnübung, keine rhetorische Rettung. Wenn das Gesicht eines Menschen, seine Hautfarbe, sein bloßes Dasein zum Problem für das deutsche Stadtbild erklärt wird, dann ist das keine Politik, dann ist das pure Verachtung.
Immer und immer wieder wird das Video mit diesem Satz in Social Media gepostet, und in mir wächst etwas, das kein Ventil findet. Ich will schreien.
Wie kann jemand, der dieses Land führen soll, so sprechen?
Wie kann man über Menschen so reden und gleichzeitig Regierungschef eines demokratischen Staates sein? Gehören anders Aussehende nicht dazu?
Wie kann man von „Werten“ reden, während man Menschen entwertet?
Ich denke an die vielen, die so etwas hören und wissen, dass sie gemeint sind.An die Kinder, die in der Schule ausgegrenzt werden.
An die Eltern, die sich wieder rechtfertigen müssen für ihre bloße Existenz.
Und ich denke an all die Mitläufer, die nicken und wahrscheinlich denken: „Endlich sagt’s mal einer.“
Zur selben Zeit fordern einige aus der CDU die Abkehr von der Brandmauer. Na klar. Wenn der Kanzler schon den Ton vorgibt, warum nicht gleich das Lied mitsingen? Der Sound ist vertraut: Angst, Nationalstolz, Menschenverachtung.
Ich weiß nicht mehr, wohin mit meiner Wut.Sie ist zu groß für eine E-Mail, für einen Post, für Schweigen, in das wir uns so gern retten. Ich will, dass jemand Verantwortung übernimmt. Ich will, dass jemand widerspricht und ihn konfrontiert, nicht lockerlässt, bis er erklären muss, was er damit gemeint hat. Ich will, dass nicht wieder alles „unglücklich formuliert“ war. Ich will, dass endlich die Menschen an der Macht begreifen, was solche Sätze anrichten.
Hallo, SPD, gibt es euch noch? Wann wacht ihr auf? Was wollt ihr noch mitmachen?
Das ist die Gefahr unserer Zeit: dass Rassismus wieder als Meinung durchgeht.
Dass Entmenschlichung zu akzeptabler Politik wird.
Dass wir vergessen, was Worte können: verschieben, normalisieren, zerstören.
Ich will mich nicht an solche Worte gewöhnen.
ch will, dass meine Wut bleibt, bis sie etwas verändert.
Ich will, dass sie sich verstärkt, durch die Wut anderer.
Dass sie laut wird, unbequem, klar.Nicht als Hass, sondern als Widerstand.
Denn eines darf nie wieder geschehen: Dass wir die Sprache der Verachtung hinnehmen. Denn es bleibt nie bei der Sprache.

Was Merz losgelassen hat, war definitiv sehr unchristlich, mal von allem anderen abgesehen. Ich erwarte eine sehr deutliche Verurteilung durch die Bischöfe!
"Bundeskanzler Friedrich Merz hat Migration als "Problem im Stadtbild" bezeichnet. Der Nürnberger Seelsorger Ansgar Wiedenhaus verurteilt diese Aussage im katholisch.de-Interview deutlich. Wer Migration pauschal zum Problem erkläre, gebe den Reichtum einer pluralistischen Gesellschaft auf" www.katholisch.de vom 17.10.2025
Da hast Du völlig recht! Nach so einem Ausspruch darf man nicht zur Tagesordnung übergehen. Und wie Du richtig bemerkt hast, verwischen so allmählich die Grenzen.
So wie mit den Zahnarztterminen, die uns die "Ausländer" weg nehmen. Das ist absolut kalkuliert, gerade jetzt, wo einige aus der CDU wieder die Brandmauer in Frage stellen. Wie weit können wir gehen? Wie weit können wir rechte Narrative in der Mitte anschlussanfähig machen? Denn das ist es aus meiner Sicht, worum es geht. Die Perspektive, dass die CDU nach rechts rückt, ist nicht falsch, greift aber nicht weit genug. Es geht darum, die AfD in die Mitte zu holen und wenn sie erstmal mittig ist, kann man ja mit ihr koalieren. Alles, was die CDU macht, ist aus meiner Sicht die strategische Vorbereitung einer schwarz-blauen Regierung.