Im Aufwind?
- Susanne Beck
- 24. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Manchmal lernt man in drei Tagen mehr als in einem ganzen Jahr. Mehr über das Land, in dem man lebt. Über die, die es bedrohen. Und über die eigene Angst.
Genau so erging es mir auf einer Tagung in Loccum, „Im Aufwind“ hieß sie.
Hier gibt es das Programm nachzulesen: Im Aufwind – Evangelische Akademie Loccum
Drei Tage lang ging es um Rechtsextremismus und um die Neue Rechte. Um deren Netzwerke, Denkfabriken, Strategien. Um verrohte Sprache, rechte Gewalt. Um die schleichende gesellschaftliche Normalisierung dessen, was niemals normal werden darf.
Ich saß zwischen Menschen, die dasselbe Ziel haben wie ich: nicht schweigen, sondern aufklären, schützen, handeln. Die seit Jahren warnen. Ich hörte bekannte Namen, und neue, die ich mir notierte. Ich vertiefte bereits Gehörtes und lernte viel Neues.
Es war, als würde jemand einen Scheinwerfer einschalten in einem Raum, den ich bislang nur schemenhaft erkannt hatte. Ich dachte, ich wüsste schon recht gut Bescheid. Ich dachte, ich sei durch neutrale Medien informiert. Aber ich hatte das Ausmaß unterschätzt. Die gesellschaftliche Tiefe der rechten Netzwerke, die erschreckende Langfristigkeit ihrer Pläne. Die Selbstsicherheit, mit der demokratiefeindliche Narrative mittlerweile ausgesprochen werden – an Familientischen, auf Marktplätzen, in Parlamenten.
Mit jedem Vortrag wuchs mein Unbehagen. Ich hörte von der Radikalisierung in digitalen Räumen, vom gezielten Besetzen lokaler Machtpositionen, von Kulturkämpfen. Ich hörte von strukturellen Problemen in der Polizei, die doch unser letztes demokratisches Bollwerk sein müsste. Ich hörte von Kindern, die in Schulen ausgegrenzt werden. Von Politiker:innen, die offen bedroht werden. Von einer Partei, die klar nach der Macht greift, während wir noch diskutieren, ob sie das wirklich alles so meint, wie sie es sagt.
Ja. Sie meinen es genau so.
Ich habe Angst. Angst um die Art, wie wir leben, Angst um die Angehörigen marginalisierter Gruppen, auf die schwere Zeiten zukommen, Angst um unsere Demokratie. Und gleichzeitig beschließe ich: Ich will nicht, dass diese Furcht mein Handeln bestimmt, ich will nicht klein und ängstlich werden vor diesen Menschen. Ich werde die Angst nutzen, für das Handeln.
Denn es gab auch das andere. Die Pausen. Die Gespräche. Die Erkenntnis, dass wir viele sind. Dass wir uns auch verstärkt vernetzen, dass sich immer mehr Gegenwehr bildet. Dass es Ideen gegen diese Entwicklung gibt, und Wege zur Umsetzung für jede und jeden von uns.
Ich traf Menschen, die ich gerne wiedersehen möchte. Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten will. Ich notierte Gedanken, die ich weiterdenken möchte.
Ich fühlte mich nicht allein mit meiner Sorge um unsere Demokratie. Und genau deshalb spürte ich tatsächlich Aufwind.
Wir brauchen die Hoffnung, sie ist unsere stärkste Waffe gegen die Angst, die von rechts geschürt wird. Wir können etwas bewegen.
Die Akademie Loccum war der richtige Ort, um die Hoffnung wieder zu finden. Abgeschieden genug, um in Ruhe zu sprechen. Offen genug, um Gedanken und Ängste zuzulassen. Der Ort lädt zum Nachdenken ein – und zum Handeln.
Es bleibt innere Unruhe. Aber sie hat eine neue Richtung. Mit Ideen, die zu Plänen werden können.
Wir haben keine Zeit zu verlieren. Aber wir haben einander.
Und das ist mehr, als ich vor diesen drei Tagen hatte.
Ja, ich finde ebenfalls, dass das sehr beunruhigend klingt. Ich hatte ein flaues Gefühl im Magen beim Lesen - oje, so arg schon ist "die gesellschaftliche Tiefe des (rechten) Netzwerks". Puh. Hoffnung. Hoffnung wie dein Satz "Wir haben einander". Es tut so gut, zu wissen, dass ich nicht alleine bin. Danke. Herzlich Marlene
Liebe Susanne,
das klingt sowohl beunruhigend als auch ermutigend. Aus der "wir sind mehr Perspektive" müssten sich doch Strategien entwickeln lassen, auch die mit zu nehmen, die bislang denken, was geht es mich an?
Danke für's Teilen und liebe Grüße
Sabine