"Der Autor schreibt, weil er eine Frage hat" – Gedanken zum Fall Frauke Brosius-Gersdorf
- Kathrin Lange
- 8. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Sie hat zurückgezogen. Verständlich. Sie hat Morddrohungen bekommen. In dem Magazin oben auf meinem Küchentisch ein Interview mit Maja Göpel, in dem sie beklagt, es gäbe keinen Anstand mehr.
Mein Kopf schwirrt. Ich möchte schreiben, Szenen, Handlungssequenzen, einen ganzen Roman, der beleuchtet, was hier eigentlich gerade passiert ist.
Literatur braucht den Abstand von den Dingen, um entstehen zu können. Ich weiß nicht, wer das mal gesagt hat, aber ich denke an ein Gespräch mit Nora Gomringer, die mir irgendwann um 2015 herum erzählte, dass sie immer noch nicht über 9/11 schreiben könne.
Neue Formen finden, das ist der Anspruch, den die rasante KI-Entwicklung an uns Kreative stellt. Die Causa Frauke Brosius-Gersdorf grätscht in meinem Hirn mitten in all meine Überlegungen dazu, zeigt in a nutshell, dass wir vielleicht anders erzählen müssten. Literarische Umformung der Realität? Ich glaube, das nennt sich auch „Überformung“. Hier wäre es ein Prozess am offenen Herzen. Aber nur Tagebuch schreiben, "später" etwas daraus machen? Das fühlt sich in diesem Moment zu wenig an. Die Worte und Sätze wollen raus, wollen zu Szenen werden. #Edutainment, das Wort passt nicht mehr. Gestern auf einer Veranstaltung zu kultureller Bildung und #Demokratiearbeit, an der ich teilhaben darf, nannten sie es „subversive Vermittlung politischer Bildung“. Und während ich das hier schreibe, kommt mir genau das falsch vor, viel zu pädagogisch, viel zu herablassend. Ich will über Frauke Brosius-Gersdorf nicht schreiben, weil ich etwas vermitteln will, ich will darüber schreiben, weil ich es selbst erstmal einfach nur verstehen möchte.
#Kundera lacht vermutlich gerade über mich.
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Das ist ein Text, den ich heute morgen gegen fünf in mein Tagebuch getippt habe. In meinem Posteingang fand ich kurz darauf, diesen Newsletter von Franzi von Kempis, Warum der Brosius-Gersdorf-Rücktritt ein Warnsignal für uns alle ist mit drei konkreten Tipps, was wir jetzt tun können. Ich lese ihn und möchte ihn kommentieren, möchte irgendwie aktiv werden. Hat nicht besagter Bischof, von dem Franzi auch schreibt, mittlerweile vor den Verkürzungen und daraus resultierenden Boshaftigkeiten in den sogenannten Sozialen Netzwerken gewarnt? Wie schaffen wir Resonanzräume, in denen wir wieder miteinander statt gegeneinander sein können? Wie kriegen wir unsere vielen Ängste und Sorgen zu einem Netz verknüpft, das trägt, das uns stark genug macht, dagegenzuhalten?
Es arbeitet in mir.
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