Ausgenüchtert
- Susanne Beck
- 5. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Es ist ein heller Tag gewesen, leicht und weich. Die Fenster standen offen, die Straßen rochen nach Staub. Eine Freundin war zu Besuch, wir tranken Kaffee, sprachen und lachten. Als sie aus dem Bad kam, erzählte ich ihr die gute Nachricht, und ganz spontan umarmte sie mich lange. Nichts daran war inszeniert, die Nachricht entzündete eine Hoffnung in uns, die wir schon verloren geglaubt hatten.
Endlich. Die AfD war vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft worden.
Später gingen wir in den Park. Der Wind war warm, die Bäume alt. Zum ersten Mal seit Monaten dachte ich, dass sich vielleicht etwas verschieben könnte. Der Tag fühlte sich an wie Anfang.
Die Freundin stieg in den Zug. Ich blieb. Und tat das, was ich hätte lassen sollen: Ich schaute in die sozialen Medien. Sie waren da, wie immer. Die Blauherzen. Die „Patrioten“. Sie schrien, sie jammerten, sie logen. Sie sprachen von Diktatur, von Unterdrückung, sie machten sich selbst zu Opfern, während sie in Wirklichkeit Täter waren. Ich blinzelte, legte das Handy weg, nahm es wieder auf. Ich konnte nicht loslassen. Aber ich war immer noch ruhig, beschwingt. Noch.
Mir fiel das Beamtenrecht ein, das Waffenrecht. Hier könnte sich etwas verändern. Die AfD-Mitgliedschaft könnte mit der Stellung als Beamter kollidieren. Andersherum könnten sich nun Beamtinnen wie ich deutlich kritischer über die AfD äußern. Waffenscheine konnten möglicherweise zurückgehalten werden, wenn jemand nachgewiesenermaßen extremistisch war. Beobachtung der Partei durch den Staat würden erfolgen müssen. Vielleicht gab es bald noch mehr Konsequenzen. Vielleicht endlich ein Verbotsverfahren?
Ich wartete auf den Mann. Er war mit seiner Nichte unterwegs gewesen. Ich stellte mir vor, wie sie gelacht hatte. Wie er versuchte, mit ihr Schritt zu halten, mit ihrer Welt, ihren Fragen. Ich freute mich. Ich war bereit für einen Abend mit Geschichten über unsere Erlebnisse, voller Lachen und Freude.
Auf Threads las ich es zuerst. Chrupalla im ZDF. Chrupalla im Brennpunkt. von Storch in den Tagesthemen. Und ich wusste, was das bedeutete. Ich kannte die Sprache, die Mimik, die Taktik. Ich wusste, dass es keine Einordnung geben würde. Keine Haltung. Nur Bühne.
Die Wut war nicht neu. Ich stand auf, ich ging durch die Wohnung, konnte nicht stillsitzen. Jetzt war es doch amtlich! Jetzt müsste man Haltung zeigen. Stattdessen: Sendezeit. Clips auf Instagram, ohne Kontext. Ein Mann, der lügt, als wäre es nichts, und ein Sender, der ihn zeigt, als wäre es normal. Die Gesellschaft zahlt. Sogar ganz real, mit ihrem Rundfunkbeitrag. Und bekommt dafür keine Klarheit, sondern Bühne für ihre Feinde. Was blieb mir zu tun? Ich schrieb wütend. Ich schrieb, weil ich nicht schweigen wollte. Weil ich mich nicht zurückhalten wollte in dieser Zeit, in der man sichtbar bleiben musste. Ich schrieb an Redaktionen, an Gremien. Ich schrieb mit der ganzen Kraft eines Tages, der so leicht begonnen hatte.
Der Mann kam, als das Gewitter schon wieder vorbeigezogen war. Ich hatte die Mails noch nicht beendet. Er setzte sich neben mich. Er wartete. Und als ich fertig war, fragte er nicht nach, sondern lächelte mich an. Wir aßen. Er ließ mich sein, er erzählte, und doch, wir lachten. Ich wäre gern ganz bei ihm gewesen. Aber wenigstens hatte ich nicht geschwiegen.
Wir werden die Medien beobachten müssen. Wir dürfen nicht mehr schweigen.
Kontaktmöglichkeiten für die ARD:
Beispiel: Beschwerde beim rbb (jeweils Landesanstalt für die Sendung raussuchen):
Kontaktmöglichkeiten für das ZDF:
Kontaktmöglichkeiten für die private Sender:
Was für ein stimmungsvoller, poetischer Beitrag! Danke für dein Engagement, an die Sender zu schreiben. Mir ging jetzt dadurch erst mal das Licht auf, dass ich ja tatsächlich mit meinem Rundfunkbeitrag mitfinanziere, was da gesendet wird. Ich bin wie du ebenfalls immer wieder sprachlos darüber, wie "sie" reden, als wäre das alles "normal", als würden sie mit ihrer Diskussionsbereitschaft ihrer Informationspflicht nachkommen, sachlich, ausgewogen. (Du schreibst: "Ein Mann, der lügt, als wäre es nichts, und ein Sender, der ihn zeigt, als wäre es normal." --> darauf beziehe ich mich, denn genau in solchen Momenten sitze auch ich da und frage mich: Geht's noch?) Und Thema AFD-Verbot: da sind dann ja noch immer so so viele Menschen, die dieses Gedankengut in sich tragen.…
Danke. Dasselbe Wechselbad hier. Ich hab alle angeschrieben. Es ist zum Schreien.