Was macht die Welt aus mir?
- Susanne Beck
- 18. März
- 2 Min. Lesezeit
„Aaaaah, wieder so eine beschissene linke Bazille! LÖSCH DICH!", antwortet mir ein Mann auf Threads, als ich sein Statement über von der Regierung bezahlte Demonstrationen als „Fake News“ bezeichne. Meine Finger antworten: "Fick dich, du Idiot."
Anders als sonst lösche ich die Buchstaben nicht wieder, sondern drücke auf Enter. Die Nachricht landet in der Welt. Ich atme ein. Und lösche sie wieder. Warum, weiß ich nicht. Moralischer Kompass, die Reste davon? Oder nicht doch eher, weil auf Threads alle nicht nur die eigenen Posts lesen, sondern auch die Antworten? In den letzten Tagen habe ich dort schon genug Schlimmes geschrieben, Belehrendes, nicht ernst Nehmendes. Nichts, worauf ich stolz bin. Nichts, das meinem Selbstbild entspricht. Aber vielleicht ist das ja auch falsch, und ich bin gar nicht so gut. Gibt es da nicht auch irgendeine Studie, dass man sich auch bei der moralischen Bewertung gern selbst überschätzt? Neutralisierungsmechanismen nennt man das, Schönreden der eigenen Handlungen. Wir sind gut darin, wir Menschen.
Elon Musk sagt, die größte Schwäche des Westens sei Empathie. Hannah Arendt sagt, der Verlust der Empathie sei der Beginn der Barbarei. Heute frage ich mich, ob meine Empathie sich auch abschleift.
Ich bin müde. Ich bin erschöpft. Ich bin voller Angst. Und dann plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, bin ich wütend. Auf so vieles. Auf Menschen, die so reden, die bedrohen, beschimpfen, die Welt verfälschen, uns andere manipulieren. Auf die, die alles immer noch schlimmer machen. Auf mich, weil mich das zu jemandem macht, der ich nicht sein will. Weil ich Dinge denke, die ich früher nie gedacht hätte.
Die Achterbahn der Geschehnisse treibt uns alle um. Ein kurzer Moment der Hoffnung, ein Mensch, der stark und integer in die Kamera spricht. Ein paar Minuten später wieder der freie Fall. Die nächste Horrornachricht, das nächste Verbrechen, der nächste Schlag ins Gesicht der Empathie. Ich versuche, weiter ich zu sein. Bei jedem realen Treffen, im Netz, in den kleinen alltäglichen Interaktionen. Aber es kostet so viel Kraft.
Wieso ist so viel Wut in mir? Wieso dirigiere ich sie in die falschen Richtungen?
Ich sehe Proteste in den USA, Menschen, die festgenommen werden, Leute die schreiben: „Seht ihr, wir demonstrieren! Sehr ihr, wie schlimm es bei uns ist?“ und mein erster Gedanke ist: „Das passiert bei uns auch.“ Seit wann denke ich so?
Wie werde ich wieder ich?
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