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Kreativ dystopisch/utopisch

Öffentlich·9 Mitglieder

Dystopie und Utopie des Strafrechts

Heute Abend halte ich einen Vortrag zur Zukunft des Strafrechts und dachte, hier passen doch zumindest gut meine dystopische und meine utopische Szene rein, vielleicht interessiert euch das und wir können darüber ein bisschen diskutieren :)

(Vortrag kann man online heute um 20.30 folgen und danach glaub ich als Video: https://www.volkswagenstiftung.de/de/veranstaltungen/gerechtigkeit-vs-empathie-ein-neuer-blick-auf-ein-demokratisches-strafrecht?fbclid=PAdGRzdgNa78BleHRuA2FlbQIxMQABp0jj9Zx_qywTtu2Yghu3tkFEuuBFZXFhbmsezMpqP9PTJt0O4jrig8iR3L4A_aem_WiZAhB2fUVJE3VdDOkdCng)


DYSTOPISCHE ZUKUNFT

Szene: Eine Wohnung im Jahr 2045. Es ist Nacht, die Straßen sind leer, nur Drohnen summen vor den Fenstern. Plötzlich flackert das Licht, die Türen verriegeln sich automatisch. Eine digitale Stimme aus dem Lautsprecher: ‚Sie werden festgenommen wegen geplanter Gewalttat.‘Der Mann, der am Küchentisch sitzt, starrt fassungslos. Vor ihm liegt ein zerknülltes Stück Papier, ein Entwurf für einen Brief, den er nie abgeschickt hat. Er hat nichts getan. Noch nicht. Doch auf den Monitoren der Sicherheitsbehörden ist längst ein Profil entstanden: Suchbegriffe im Netz, Kontakte, Bewegungsmuster. Die Maschine hat entschieden, dass er handeln wird. Die Tür springt auf, zwei uniformierte Beamte treten ein. Sie sprechen kein Wort, sie brauchen nichts zu erklären. In diesem System gibt es keine Unschuldsvermutung mehr. Schuld ist nicht mehr etwas, das man durch Taten erwirbt, sondern etwas, das aus Daten errechnet wird. Die Strafe kommt vor der Tat. Die Überwachung ist permanent. Freiheit ist irrelevant, nur Sicherheit zählt.


Eine andere mögliche Zukunft

Szene: Ein heller Raum, kein Gerichtssaal, kein Gefängnis. Menschen sitzen im Kreis, blicken sich an. Es gibt keine Roben, keine Uniformen, keine erhöhten Podien. In der Mitte steht ein kleiner Tisch mit Wasser und Brot für alle. Eine Frau spricht, ihre Stimme zittert: ‚Ich habe dir vertraut, und du hast dieses Vertrauen gebrochen.‘ Sie wendet sich an den Mann ihr gegenüber, der die Augen gesenkt hält. ‚Das hat mein Leben verändert. Ich hatte Angst, ich habe mich zurückgezogen. Ich will, dass du verstehst, was das bedeutet.‘ Der Mann hebt den Blick. Zum ersten Mal seit Monaten sieht er nicht nur Anwälte, Staatsanwälte, Richter, sondern das Gesicht der Person, die er verletzt hat. ‚Es tut mir leid‘, sagt er, und die Worte wirken unbeholfen, zu klein für das, was geschehen ist. ‚Wenn ich nur könnte, würde ich es ungeschehen machen. Aber ich will es zumindest irgendwie wieder gutmachen.‘ Ein Sozialarbeiter, der das Gespräch begleitet, nickt, aber er gibt keine Antworten vor. Der Kreis selbst trägt die Verantwortung. Ein Nachbar meldet sich zu Wort: ‚Wir müssen gemeinsam überlegen, wie es weitergeht. Was kann er tun, was können wir tun?‘ Es entsteht ein Gespräch, stockend, vorsichtig, manchmal schmerzhaft. Aber es ist ein Gespräch, kein Urteil. Niemand wird weggeschickt, niemand aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Dieses Verfahren bedeutet hier nicht Ausgrenzung, sondern Rückkehr. Verantwortung statt Stigmatisierung. Am Ende steht kein Freispruch, aber auch kein Urteil. Sondern eine Vereinbarung: psychologische Begleitung, Wiedergutmachung, Arbeit in der Gemeinschaft. Eine Brücke, kein Exil.



27 Ansichten

Puh, die erste Szene gruselig, weil ich sie mir so gut vorstellen kann. Besonders schön finde ich im Gegenzug dann die Utopie als Gegenüberstellung, die zeigt, wie wirklich langanhaltende Sicherheit durch echte Veränderungen geschaffen werden kann.

Bei mir kommt gerade die Frage auf, wenn wir in Utopien doch alle ähnliche Bilder malen würden, warum handeln wir Menschen (noch) nicht (immer) danach?

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